Es vergeht kein Tag in unserem Leben, an dem wir uns nicht mit dem Thema Essen auseinandersetzen. Das ist ganz natürlich, denn wir brauchen die Nährstoffe und Energie aus der Nahrung, um zu überleben. Das Hungergefühl ist das Signal unseres Körpers, welches uns darauf aufmerksam macht, dass wir essen sollten und wenn der Körper ausreichend mit Energie versorgt ist, setzt das Sättigungsgefühl ein. Klingt ganz einfach, doch viele Menschen haben Probleme, diesem natürlichen Rhythmus des Körpers zu folgen. Häufig essen wir, obwohl wir körperlich nicht hungrig sind, oder wir reduzieren die Nahrungsaufnahme, obwohl der Körper Energie bräuchte. Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass der Grund dafür unsere Emotionen sind. Laut einer Studie des US-Instituts „Psychology of Eating“ trifft emotionales Essen drei von vier Menschen.
Emotionales Essen
Wenn ein Baby in den Armen der Mutter liegt und süße Muttermilch saugt, verknüpft es damit Gefühle wie Geborgenheit, Liebe und Zuneigung. Im Laufe unseres Lebens wird die Assoziation von Nahrungsaufnahme und positiven Emotionen weiterhin gestärkt:
Als Kind bekommt man zum Beispiel Süßigkeiten, wenn man etwas gut gemacht hat und man erlebt, dass Feste mit leckerem Essen und Trinken gefeiert werden. Wir verbinden Essen mit Geselligkeit, Genuss, Belohnung und Trost.
Diese Erfahrungen führen dazu, dass wir nicht nur essen, um körperlichen Hunger zu stillen, sondern auch, um angenehme Gefühle in uns hervorzurufen und negative Gefühle wie Angst, Frust und Trauer zu betäuben. So führt die zart schmelzende Schokolade auf der Zunge bei Liebeskummer dazu, dass wir uns für einen kurzen Moment getröstet fühlen, weil der Körper Glückshormone ausschüttet.
Auch täglicher Stress wie Zeitdruck, spielt eine große Rolle für unser Essverhalten: Wenn wir gestresst sind, schüttet der Organismus Hormone wie Cortisol und Adrenalin aus, und das Gehirn fordert vermehrt Zucker (Glucose). Wenn das Gehirn dann mit Zucker versorgt wird, fährt der Körper das Stresssystem wieder runter und wir können uns entspannen (Vgl. Selfish-Brain-Theorie, Prof. Dr. Achim Peters). Hinzu kommt, dass es in unserer Natur liegt, dem Stress so schnell wie möglich entkommen zu wollen: Evolutionär gesehen bedeutet Stress Lebensgefahr. Viele von euch werden wahrscheinlich schon von der Kampf-oder-Flucht-Theorie des Physiologen Walter Cannon gehört haben. Die Theorie beschreibt die schnelle körperliche und mentale Anpassung von Lebewesen in Gefahrensituationen als Stressreaktion. Durch die Stressreaktion werden die notwendigen Ressourcen für den Körper bereitgestellt, um mit Kampf oder Flucht das Überleben zu sichern. Wenn wir im Überlebensmodus sind, ist es also auch nicht verwunderlich, dass unsere Überlebensinstinkte bei Stress dazu führen, dass wir Nahrung „bunkern“. Natürlich sind wir heute im Alltag nicht mehr wirklich in Lebensgefahr, aber der Körper reagiert auf die heutigen Stressfaktoren mit den gleichen Mechanismen, wie damals.
Emotionales Nicht-Essen
Neben den emotionalen Essern gibt es aber auch die emotionalen Nicht-Esser. Unangenehme Gefühle können zu Appetitlosigkeit führen. Geläufige Redewendungen wie „Ich habe einen Stein im Magen“, „Das schlägt mir auf den Magen“ oder „Ich habe ein flaues Gefühl im Bauch“ beschreiben, dass dies keine Seltenheit ist.
Das Gefühl von Hunger kann aber auch als Betäubung genutzt werden, wenn es so stark ist, dass es andere unangenehme Gefühle überschattet.
Außerdem kann ein rigides Essverhalten einem ein Gefühl von Kontrolle zurückgeben, während sich andere Bereiche des Lebens manchmal nicht kontrollieren lassen. Zum Beispiel eine ungewollte Trennung vom Partner, gesellschaftliche Veränderungen, wie die einschränkenden Maßnahmen der Corona Pandemie oder der Verlust eines geliebten Menschen.
Emotionales Essverhalten ist nichts Ungewöhnliches. Wenn man aber häufig unangenehme Gefühle mit dem Essverhalten kompensiert, besteht die Gefahr, eine Essstörung zu entwickeln. Um das zu vermeiden, ist es wichtig, emotionalen Hunger von körperlichem Hunger unterscheiden zu können.
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